15 Jahre sind seit dem Millenniumsgipfel vergangen. In zehn Tagen beginnt der UN-Nachhaltigkeitsgipfel (25.-27.9.2015) in New York. Aus den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) sollen nun Nachhaltige Entwicklungsziele (SDGs) werden.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends erklärte die Weltgemeinschaft auf dem so genannten UN-Milleniumsgipfel, sie wolle weltweit Hunger und Armut bekämpfen. Daraus entstanden im Jahr 2001 acht Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs), deren Umsetzung ausschließlich im Globalen Süden erfolgen sollte.

Tabakkonsum im neuen Jahrtausend

Etwa zeitgleich erkannten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Weltbank öffentlich an, dass der rasant zunehmende Tabakkonsum inzwischen eine globale Epidemie ausgelöst hatte.

Die Antwort darauf war die WHO Tabakrahmenkonvention (FCTC), die im Mai 2003 durch die Weltgesundheitsversammlung angenommen wurde und im Februar 2005 in Kraft trat.

Dazwischen gab die WHO einen Bericht (2004) heraus, in dem die MDGs in Bezug auf den Tabakgebrauch beleuchtet wurden. Die Erkenntnis: Tabakkonsum ist ein Hindernis für alle MDGs, wird aber in keinem Unterziel erwähnt.

Nachhaltigkeit statt Millennium

Die Arbeit an der Erreichung der MDGs wurde kontinuierlich überprüft, zahlreiche Berichte verglichen die Bemühungen der Länder. Schleichend wurden Kriterien zurecht gerückt, so dass der Weltgemeinschaft am Ende eine halbe Erfolgsgeschichte präsentiert werden kann. Dies ist im Wesentlichen eine Frage der Gesichtswahrung.

Seit dem so genannten Rio+20-Gipfel im Jahr 2012 wurden die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) als Nachfolge der MDGs diskutiert, formuliert und schließlich in die Erklärung aufgenommen, die am 25. September 2015 in New York verabschiedet werden soll.

Neu an ihnen ist, dass sie wesentlich umfassender ausfallen als die MDGs und den Versuch erkennen lassen, die ökologischen Probleme des Planeten ernst zu nehmen. Und: sie gelten für alle Staaten, nicht nur für den Globalen Süden. Es muss sich also auch Deutschland an diesen Zielen messen lassen.

Neu ist auch, dass Tabakkontrolle als integraler Bestandteil in die SDGs Eingang gefunden hat. Die WHO Tabakrahmenkonvention wird in Unterziel 3.a als erstes von vier Instrumenten genannt, die dazu dienen sollen, ein gesundes Leben für alle zu erreichen. Zu diesem Erfolg haben zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Framework Convention Alliance (FCA) maßgeblich beigetragen.

Doch damit sich die Geschichte der MDGs nicht wiederholt, ist es notwendig, dass Verantwortlichkeiten benannt werden, unabhängige Überprüfungsmechanismen geschaffen werden und das Weltwirtschaftssystem tatsächlich hinterfragt wird. Die neue Willenserklärung der UN, die Agenda 2030, leistet dies leider kaum.

Was nun, Deutschland?

Dennoch ist die Agenda 2030 für Unfairtobacco.org eine gute Arbeitsgrundlage, denn Deutschland hat sich bei der Ausarbeitung der SDGs besonders hervorgetan. Im Feld der Tabakkontrolle allerdings gibt es für die deutsche Regierung viel zu tun, um die Umsetzung der FCTC zu verbessern. Konkret bedeutet das:

  1. Umsetzung eines umfassenden Tabakwerbeverbots: In ganz Europa sind es nur noch Deutschland und Bulgarien, die Tabakwerbung auf Plakaten zulassen. Vorbilder könnten Spanien oder die Türkei sein, denen die WHO eine hervorragende Umsetzung des Werbeverbots bescheinigt. Dazu kommt die jährliche Ausrichtung der wohl weltgrößten Tabakmesse durch eine deutsche kommunale Messegesellschaft, die Westfalenhallen Dortmund GmbH. Das muss sich ändern.
  2. Ratifizierung des Protokolls zur Bekämpfung des illegalen Tabakhandels: Unter der Hand verkaufte Zigaretten sind billiger als regulär gehandelte. Tabakschmuggel führt zu einem Anstieg des Tabakkonsums, verschärft die damit verbundenen Gesundheitsprobleme, mindert die Steuereinnahmen der Staaten und dient der Finanzierung krimineller und terroristischer Gruppierungen. Globale Schmuggel-Netzwerke können nur auf internationaler Ebene wirksam bekämpft werden.
  3. Förderung von Alternativen zum Tabakanbau: In Kolumbien, Peru und Myanmar unterstützt die deutsche Regierung explizit alternative Einkommensmöglichkeiten zum Drogenanbau. In Ländern wie Malawi wird Tabak angebaut – eine „legale Droge“, deren Anbau giftiger ist als der von Koka oder Schlafmohn. Programme für ländliche Entwicklung können mit geringem Aufwand darauf zugeschnitten werden, dass Tabakbäuerinnen und -bauern einen Anreiz zum Umstieg auf Nahrungsmittel erhalten.

Dafür wird sich Unfairtobacco.org in den kommenden Jahren intensiv einsetzen, damit die SDGs nicht business as usual bleiben.

Weiterführende Links:

Tabak: unsozial, unfair, umweltschädlich [pdf, 1.2 MB]

Infografik: Tabak in der Post-2015 Agenda [pdf, 1 MB]

Weltkarte der Strategien der Tabakindustrie

Strategien der Tabakindustrie: Werbekampagnen, Klagen, politische Einflussnahme [pdf, 1 MB]

Weltkarte der Alternativen zum Tabakanbau

Alternativen zum Tabakanbau: Konzepte und Erfahrungen [pdf, 8 MB]