Kürzlich wurde der Index zur Einflussnahme der Tabakindustrie in Deutschland 2023 vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) veröffentlicht. Unfairtobacco hat ihn mitgezeichnet. Der Index 2023 zeigt nach zwei Jahren erneut, dass die Tabakindustrie viel Einfluss auf die Politik nehmen kann und Deutschlands Maßnahmen gegen diesen Einfluss nach wie vor ungenügend sind. Die Werte haben sich in den letzten Jahren sogar noch verschlechtert: von 63 negativen Punkten im Jahr 2020 über 68 Punkte in 2021 auf 70 Punkte in diesem Jahr. International rangiert Deutschland im letzten Drittel der untersuchten Staaten, auf Platz 67 von 90.

Entscheidende Bereiche wie unter anderem das Sponsoring politischer Parteien und öffentlicher Einrichtungen sind unzureichend reguliert. Es gibt keinen Verhaltenskodex für Staatsbedienstete, und Kontakte mit der Tabakindustrie bleiben weitgehend intransparent. Das Ausmaß der Interaktionen zwischen Personen aus der Tabakindustrie und politisch Entscheidungstragenden und Staatsbediensteten auf allen Ebenen ist alarmierend. Die Tabakindustrie stellt ein Budget von mehr als sechs Millionen Euro pro Jahr und mindestens 90 Lobbyistinnen und Lobbyisten für die Einmischung in die Politikgestaltung zur Verfügung.

Das alles steht dem WHO Rahmenabkommen für Tabakkontrolle diametral entgegen, mit dem Deutschland sich bereits 2004 verpflichtet hat, gesundheitspolitische Entscheidungen vor dem Einfluss der Tabakindustrie zu schützen (Artikel 5.3).

Zum Aspekt der Interaktionen äußern sich die Leitlinien zu Artikel 5.3 des WHO FCTC folgendermaßen: „Interaktionen zwischen der Tabakindustrie und politisch Entscheidungstragenden müssen sich auf das beschränken, was für eine wirksame Regulierung der Tabakindustrie unbedingt erforderlich ist.“

Tabakindustrie und Einwegkunststoffe

In der Kategorie der nicht notwendigen Interaktionen tauchen im aktuellen Tabaklobby-Index auch Kontakte im Zusammenhang mit der Einwegkunststoffrichtlinie der EU und der erweiterten Herstellerverantwortung auf. Diese nimmt Hersteller u.a. für die Kostenübernahme von Reinigungsmaßnahmen in Verantwortung. Zu ihrer Umsetzung wird in Deutschland der Einwegkunststofffonds eingerichtet. Die Einwegkunststoffrichtlinie umfasst auch Regelungen für Zigarettenfilter, da diese aus einer Kunststoffart (Zelluloseacetat) bestehen.

Einer der beiden Hauptsponsoren der Deutschen Verpackungsrechtstage 2022 und 2023, bei denen es ermäßigte Preise für Mitarbeitende des öffentlichen Dienstes gab und die Teilnehmenden Fortbildungspunkte erhalten konnten, war Philip Morris. Unter den Referierenden waren Mitarbeiter*innen von Philip Morris und des BVTE, Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse, und sprachen über Einwegkunststoffe und die erweiterte Herstellerverantwortung.

Der neu eingerichtete Fonds für Einwegkunststoffe wird vom Umweltbundesamt verwaltet; dieses ist „zuständig für die Einordnung von Einwegkunststoffprodukten, die Bestimmung der Produktart und die Feststellung, ob jemand ein Hersteller im Sinne des Einwegkunststofffondsgesetzes ist.“ Es wird dabei von der Einwegkunststoffkommission beraten, die sich aus Vertreter*innen von Herstellern, Abfallwirtschaft sowie Umwelt- und Verbraucherverbänden zusammensetzt. Die Hersteller stellen in der Kommission die Hälfte der Mitglieder wohingegen nur jeweils ein Umwelt- und ein Verbraucherverband vertreten sind. Die Tabakindustrie ist mit einer Vertreterin des BVTE Mitglied der Kommission geworden.

Tabakindustrie auf dem Prüfstand: Grüner Wandel oder Bauernfängerei?

Auch wir nehmen die Strategien der Tabaklobby wieder genauer in den Blick. Bei der Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle vom 6. bis 7. Dezember sind wir mit dem Plenum „Tabakindustrie auf dem Prüfstand: Grüner Wandel oder Bauernfängerei?“ vertreten.

Wir werden verschiedene Umwelt- und Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen und Verbänden der Tabakindustrie zeigen, mit denen sie sich ein grünes Image verleihen. Diesem Bild der vermeintlichen Nachhaltigkeit werden wir ein Beispiel für alternative Einkommensmöglichkeiten für Tabakfarmer*innen entgegen setzen.

Denn Unternehmen und Verbände der Tabakindustrie nutzen zahlreiche Möglichkeiten, um sich als verantwortungsbewusste Corporate Citizens nachhaltig und umweltfreundlich darzustellen, und schieben gleichzeitig die Verantwortung für Umweltschäden auf die Verbraucher*innen ab. Sie lassen sich auch gerne als Fürsprecher und beste Freunde von Tabakfarmer*innen rühmen, z.B. wenn es um Kinderarbeit oder lokale Wälder geht.

Hier geht es zum Programm der Tabakkontrollkonferenz 2023.

"Die Regierung zeigt keine Bereitschaft, eine wirksame Firewall gegen den Einfluss der Tabakindustrie zu errichten und damit die Bevölkerung vor den gesundheitsschädlichen Praktiken der Tabakindustrie zu schützen." Laura Graen, Autorin des Tabaklobby-Index und Mitarbeiterin am DKFZ

Unfairtobacco fordert gemeinsam mit vielen weiteren zivilgesellschaftlichen und Gesundheitsorganisationen eine umfassende nationale Tabakkontrollstrategie, die unterschiedliche Politikbereiche in den Blick nimmt. Das von Fachleuten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft entwickelte Konzept dafür, die Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040, liegt seit zwei Jahren auf dem Tisch.