Investitionsschutz statt Gesundheitsschutz?
Philip Morris International verklagte die Regierung Uruguays wegen deren Tabakkontrollgesetz vor einem Investitions-Schiedsgericht.
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Jetzt spendenWährend Philip Morris International (PMI) der Welt offiziell eine rauchfreie Zukunft verspricht, tut der Konzern im Geheimen alles, um Gesundheitspolitik zu verhindern.
Auf seiner Webseite malt Philip Morris International ein weichgezeichnetes Bild einer anscheinend gesunden Zukunft und schreibt sich sogar die Verfolgung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) auf die Fahnen.
Um dieses Image zu unterstreichen, hatte PMI im letzten Jahr das Dänische Menschenrechtsinstitut (DIHR) beauftragt, einen Plan zur Umsetzung der Menschenrechte zu erarbeiten. Hatten sie vergessen, dass ihre Produkte das Menschenrecht auf Gesundheit verletzen?
Lesen Sie hier unsere Presseerklärung dazu.
Ende letzter Woche erschienen die PMI Leaks, interne Dokumente, die einem investigativen Bericht von Reuters zugrunde liegen und zum Teil veröffentlicht wurden. Die Journalist*innen zeigen, mit welchen Strategien PMI-Lobbyteams die Verhandlungen zur WHO Rahmenkonvention für Tabakkontrolle (FCTC) ebenso wie nationale Tabakschutz-Gesetze untergraben:
Um die Umsetzung der Konvention zu behindern, hat sich PMI zum Ziel gesetzt, dass mehr Delegierte zu den FCTC-Verhandlungen reisen, die nicht aus Gesundheitsministerien kommen, sondern aus Handels-, Finanz- und Agrarministerien. Das ist laut Reuters seit 2006 tatsächlich passiert.
Gleichzeitig setzt PMI auf direkten Einfluss auf Delegierte der FCTC-Verhandlungen. Ein Ziel war zum Beispiel Vietnam, dessen Delegierte sowohl in Russland (2014) als auch in Indien (2016) während der Verhandlungswoche Treffen vor Ort mit PMI Lobbyist*innen hatten.
Den 19 Angestellten, die im FCTC-Sekretariat für die Umsetzung des Abkommens arbeiten, stehen 600 Lobbyist*innen allein von PMI gegenüber.
Lesen Sie hier den ersten Teil des Reuters-Berichts.
Reuters veröffentlichte einen zweiten Bericht, in dem die PMI Leaks mit Bezug zur Werbestrategie für Marlboro in Indien ausgewertet werden.
Demnach setzt PMI gezielt bunte Werbung an Verkaufsstellen ein und vergibt kostenlose Zigaretten auf Parties für junge Leute – und bricht damit die indischen Nichtraucherschutz-Gesetze.
In Indien hat PMI das erklärte Ziel, „die Herzen und Köpfe der 18 bis 24-Jährigen zu gewinnen“, so ein Dokument von 2015. Dafür sind Kiosk- und Eventwerbung besonders gut geeignet und deshalb Kern der PMI-Marketingstrategie. Diese Strategie war schon in den 1980er und 90er Jahren in den USA erfolgreich.
Um Einzelhändler*innen dazu zu bringen, Marlboro-Werbung an ihren Läden aufzuhängen, zahlte PMI ihnen monatliche Gebühren oder vergab kostenlose Zigaretten an sie. Dies hat Reuters anhand von Interviews herausgefunden und sogar Zahlungsquittungen eingesehen, die von Philip Morris Vertreter*innen unterschrieben waren.
Der Leiter der Tabakkontrollbehörde in Delhi warnte PMI in einem Brief mit einem Ultimatum vor einem weiteren Gesetzesbruch. Im Mai 2017 führte die Behörde dann eine großangelegte Aktion durch, bei der Tabakverkaufsstellen kontrolliert wurden. Die Werbung hing noch immer. Deshalb wurden Einzelhändler*innen mit Bußgeldern belegt.
Doch um die Gesetzesverstösse von PMI zur Anzeige zu bringen, muss der oberste Tabakkontrolleur Delhis nun auf Anweisung der indischen Bundesregierung warten.
19 Angestellte im FCTC-Sekretariat stehen 600 Lobbyist*innen allein von Philip Morris International gegenüber.