Anlässlich der 22. Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle erscheint unsere neue Broschüre „Unfaire Lieferketten: Fokus Tabakindustrie“. Seit Januar 2024 gilt in Deutschland das Lieferkettengesetz auch für Zigarettenunternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden. Wir haben uns die Rohstoffe und die Lieferketten, die für diese Zigarettenfirmen wichtig sind, näher angesehen. Der Rohstoff Tabak und die menschenrechtlichen Risiken am Anfang der Tabak-Lieferkette stehen im Fokus der neuen Publikation. Perspektiven aus dem Globalen Süden, aus Malawi und Brasilien, zeigen wie von Menschenrechtsverletzungen betroffene Tabakfarmer*innen sich für ihre Rechte und für Entschädigungen durch Tabakfirmen einsetzen.

Das deutsche Lieferkettengesetz und die Tabakindustrie

Das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) verpflichtet zum ersten Mal Unternehmen in Deutschland gesetzlich dazu, in ihren Lieferketten die Menschenrechte zu achten und Umweltstandards einzuhalten. Im Bereich Tabak- und Nikotinprodukte werden drei Firmen (mit > 1.000 Mitarbeitenden) vom Gesetz erfasst: Philip Morris GmbH (Philip Morris International), Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH (Imperial Brands) und JT International Germany GmbH (Japan Tobacco Inc.). Die erfassten Unternehmen müssen zum einen vorsorgende Maßnahmen ergreifen, um Schäden zu vermeiden. Zum anderen können Betroffene bei Verstößen aktiv werden und ihre Rechte einfordern. Die Unternehmen müssen dann dafür sorgen, dass die Rechtsverletzungen beendet werden, das Gesetz schreibt jedoch keine Entschädigung vor. Hier setzt die Europäische Lieferkettenrichtlinie (EU CSDDD) höhere Standards und sieht Maßnahmen zur Wiedergutmachung vor. Diese Richtlinie muss bis Juli 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden.

Unfaire Lieferketten: Rohstoffe, Akteure und Risiken

Tabak, Zellulose, Rohrzucker und Kakao – all das steckt in Filterzigaretten. Eine große Weltkarte im zweiten Kapitel der Broschüre zeigt, woher die Rohstoffe kommen und welche Länder den Hauptanteil an der Weltproduktion haben (s. Abb. rechts). Es wird außerdem erläutert, welche Akteure Teil der Lieferkette in Deutschland sind. Anschließend werden im dritten Kapitel zwei wesentliche menschenrechtliche Risiken am Anfang der Tabak-Lieferkette dargestellt: fehlender Arbeitsschutz und wirtschaftliche Ausbeutung. Es wird beleuchtet, wie Unternehmen der Tabakindustrie bislang mit diesen Risiken umgegangen sind. Die Kapitel vier und fünf werfen einen Blick in zwei Tabakanbauländer, in denen Farmer*innen gegen die Verletzung ihrer Rechte aktiv sind. Raquel Torres Gurgel aus Brasilien beschreibt, wie Tabakfarmer*innen gegen Rohtabakunternehmen vor Gericht vorgehen und sie für Mängel im Arbeitsschutz zur Rechenschaft ziehen wollen. Donald Makoka aus Malawi stellt eine Klage von mehr als 7.000 Tabakfarmer*innen gegen zwei multinationale Zigarettenfirmen vor, denen sie Ausbeutung und unlautere Bereicherung vorwerfen.

Das abschließende Kapitel befasst sich mit den Herausforderungen und Chancen des deutschen Lieferkettengesetzes als wichtigen Schritt zu einem nachhaltigen Wandel. Dazu beantwortet Steffen Vogel von Oxfam einige wichtige Fragen, auf deren Basis konkrete Schlüsse in Bezug auf Unternehmen der Tabakindustrie gezogen werden.

Chancen des Lieferkettengesetzes

Den Zigarettenunternehmen sind die Risiken am Anfang der Tabak-Lieferkette größtenteils hinreichend bekannt, darauf kann nun aufgebaut werden. Statt freiwilliger Programme der sozialen Unternehmensverantwortung, müssen mit dem LkSG nun die verbindlichen Vorgaben im Kerngeschäft der Tabakfirmen umgesetzt und Unternehmensprozesse wie z.B. Einkaufspraktiken verändert werden.

Menschen am Anfang der Lieferketten können jetzt ihre Rechte gegenüber deutschen Firmen einfordern. Damit sie das tun können, müssen das Lieferkettengesetz und die damit verbundenen Möglichkeiten für Beschwerden bekannt gemacht werden. Es ist von großer Bedeutung, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen gut informiert sind, und ebenso, dass sie von Akteuren der deutschen Zivilgesellschaft darin unterstützt werden, ihre Belange als Beschwerde bei den Unternehmen oder dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vorzubringen.

Welche Chancen und Herausforderungen noch mit dem Lieferkettengesetz verbunden sind, lesen Sie in der neuen Broschüre.

Das Geschäftsmodell der Tabakindustrie ist allerdings per se gesundheitsschädlich – für Produzent*innen und für Konsument*innen. Deshalb haben mehr als 180 Staaten das WHO-Tabakrahmenabkommen (WHO FCTC) unterzeichnet, um den Konsum von Tabak einzudämmen. Es müssen daher zwar mittelfristig die Bedingungen im Tabakanbau so verbessert werden, dass Menschenrechte und Umweltschutz geachtet werden. Langfristig aber ist es für ein würdiges und selbstbestimmtes Leben der Tabakfarmer*innen notwendig, aus dem Tabakanbau auszusteigen und alternative Einkommensmöglichkeiten zu ergreifen.

Bestellen Sie hier Ihr Exemplar der Broschüre.

Bei der deutschen Konferenz für Tabakkontrolle werden auch in diesem Jahr Projekte und Konzepte zur Verminderung des Tabakkonsums in Deutschland vorgestellt und diskutiert sowie Erfahrungen über erfolgreiche Maßnahmen ausgetauscht.

"Ich habe alles genau so gemacht, wie das Unternehmen mich angewiesen hat, und nun bezahle ich dafür mit meinem Leben. Es ist jetzt Zeit, dass jemand dafür Verantwortung übernimmt." Lídia do Prado, ehem. Tabakbäuerin  
Broschüre "Unfaire Lieferketten. Fokus Tabakindustrie" © Broschüre_Unfaire-Lieferketten_Vorderseite von Unfairtobacco / CC BY-NC-ND 4.0
Woher die Rohstoffe für Zigaretten kommen © Weltkarte Zigaretten-Rohstoffe von Unfairtobacco / CC BY-NC-ND 4.0