Das hatte British American Tobacco so nicht erwartet. Britische Menschenrechtsanwält*innen verklagen den Zigarettenkonzern im Namen hunderter arbeitender Kinder und ihrer Familien auf Entschädigung. Die Begründung: der Zigarettenkonzern bereichere sich unrechtmäßig auf Kosten arbeitender Kinder und beute malawische Bauernfamilien aus.

Kinder auf dem Tabakfeld

Nachdem der Guardian im Sommer 2018 über Kinderarbeit auf malawischen Tabakfeldern berichtete, beschloss die Kanzlei Leigh Day zu handeln und den britischen Zigarettenkonzern BAT zu verklagen. Auf Malawis Tabakfeldern sammelten die Anwält*innen gemeinsam mit der Autorin des Berichts aktuelle Informationen, die in die Klageschrift einflossen:

  • Die Familien werden mit dem Versprechen von Unterkunft, Essen und Bezahlung in Bargeld als Pächter*innen für Tabakplantagen angeworben.
  • Die Familien müssen ihre Unterkunft, eine Strohhütte, selbst bauen. Als Essen bekommen sie monatlich einen Sack Mais, der nicht für die Familie reicht.
  • Kinder ab dem Alter von drei Jahren sind am Tabakanbau beteiligt.
  • Kinder leiden besonders unter den giftigen Chemikalien und der Grünen Tabakkrankheit.
  • Kinder können kaum in die Schule gehen und haben keine Freizeit.
  • Die meisten Kläger*innen verdienten in der letzten Saison zwischen 115 und 230 Euro für zehn Monate Arbeit als fünfköpfige Familie.

Daraus schließen die Anwält*innen: Die Arbeit komme Zwangsarbeit oder Schuldknechtschaft gleich, denn die Arbeiter*innen werden bei der Anwerbung getäuscht, haben Angst fortzugehen und geraten schnell in Schulden.

BAT hat Verantwortung für die Lieferkette

Im letzten Jahr erwirtschaftete British American Tobacco (BAT) einen Profit von 10,8 Mrd. Euro (aus Verkäufen in Höhe von 28,6 Milliarden Euro).

Wie Konzerne in anderen Branchen auch, sieht sich BAT weit entfernt von den Arbeitsbedingungen am Anfang ihrer Lieferkette. British American Tobacco kauft jährlich eine vereinbarte Menge Tabak beim Rohtabakunternehmen Alliance One, das Landeigentümer*innen in Malawi unter Vertrag nimmt, die wiederum die Pächter*innen anwerben.

Der Zigarettenkonzern ließ durch seine Public Relations Abteilung erklären, man sei gegen ausbeuterische Kinderarbeit und habe dies den Farmer*innen und Zulieferern mitgeteilt. Außerdem müssten Zulieferer am so genannten Programm für nachhaltigen Tabak teilnehmen, das UN-Standards entspräche.

Die Menschenrechtsanwält*innen beurteilen das anders: die Verantwortung für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Pächter*innen liege sehr wohl zu guter Letzt bei BAT. Denn der Konzern entscheide über den Preis, zu dem er den Rohtabak abnehme.

Dieser Fall könnte das Leben vieler Kinder ändern, die in Ländern des Globalen Südens unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten müssen – nicht nur im Tabaksektor, sondern auch in anderen Industrien wie zum Beispiel der Bekleidungsindustrie.

Fall schlägt Wellen in den USA

Noch ist die Klage nicht eingereicht, verhandelt und entschieden. Doch es zeigen sich schon direkte Auswirkungen in den USA. Seit Jahren hatte das US-amerikanische Arbeitsministerium Tabak aus Malawi auf der Liste der Güter, die mit Kinder- und/oder Zwangsarbeit hergestellt werden.

Nun endlich handelte die Zollbehörde in Folge der angekündigten Klage. Seit dem 1. November 2019 wird ankommender Rohtabak aus Malawi vom Zoll bei der Einfuhr einbehalten, so lange nicht erwiesen ist, dass dieser Tabak ohne Zwangs- oder Kinderarbeit hergestellt wurde. Dies gilt auch für Produkte, in denen malawischer Tabak enthalten ist. Das ist noch kein Einfuhrverbot, aber ein ungewöhnlich robustes Vorgehen der Zollbehörde.

Was bedeutet das für die Kinderarbeit auf Malawis Tabakfeldern? Zunächst nichts Konkretes, aber es erhöht das öffentliche Interesse an der Lieferkette des Tabaks.

Engagiert gegen Kinderarbeit im Tabaksektor

Kinderarbeit im Tabaksektor wird seit einigen Jahren auch von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bekämpft, allen voran in Tansania, Uganda, Sambia und Malawi. Bis Ende 2018 wurden diese Projekte von der Tabakindustrie finanziert. So konnten Kooperationen mit Zigarettenunternehmen entstehen, die diese wiederum nicht zur Bekämpfung von Kinderarbeit benötigen, sondern dafür, Tabakkontrolle zu verhindern.

Jahrelang hatten zivilgesellschaftliche Organisationen, auch wir, daran gearbeitet, dass die ILO sich anderen UN-Organisationen anschließt und sich von der Tabakindustrie distanziert. Ende Oktober 2019 hat der ILO-Verwaltungsrat nun endlich entschieden, keine Gelder der Tabakindustrie mehr anzunehmen.

Projekte gegen Kinderarbeit im Tabaksektor wird es dennoch in diesen vier Ländern geben. Sie sollen Teil einer integrierten Strategie der ILO sein, die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Tabaksektor führen soll. Darin enthalten ist auch, Alternativen zum Tabakanbau zu fördern.

Britische Menschenrechtsanwält*innen: Die Verantwortung für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Pächter*innen liegt letztlich bei BAT. Denn der Konzern entscheidet über den Preis, zu dem er den Rohtabak abnimmt.
Auch für die Tabakindustrie braucht es ein Lieferkettengesetz! © Lieferkettengesetz_Kinderrechte_Tabak von Unfairtobacco