Wo wir uns umsehen, können wir immer mehr den Wandel vom Tabak- zum Nahrungsmittelanbau feststellen, oder wie es unsere Projektpartner*innen in Bangladesch folgerichtig nennen: die Rückkehr zum Anbau von Nahrungsmitteln.

In vielen Regionen scheint ein wichtiger Aspekt dabei die Diversifizierung des Anbaus zu sein, das bedeutet dass Farmer*innen eine Vielfalt an Nutzpflanzen anbauen. Diese Vielfalt kann gleichzeitig zur Einkommenssicherheit und zur lokalen Ernährungssicherheit beitragen.

Gemeinschaftliche Organisation und Zugang zu Märkten

In Invernada, einer Gemeinde in Südbrasilien im Bundesstaat Paraná, ist der Tabakanbau immer noch eine der Haupteinnahmequellen. Dennoch hat hier über die letzten 20 Jahre eine Diversifizierung des Anbaus stattgefunden – obwohl dies herausfordernd ist, weil die Farmer*innen wenig Land haben, und der Tabakanbau zu viel Arbeitszeit auffrisst. Zwei Faktoren waren dabei ausschlaggebend: die gemeinschaftliche Organisation innerhalb der Gemeinde und die öffentliche Politik, die die Nahrungsmittelproduktion und die Schaffung lokaler Märkte unterstützt, wie z.B. durch das nationale Programm zur Beschaffung von Nahrungsmitteln (PAA) und durch das nationale Schulspeisungsprogramm (PNAE). Durch diese Programme kauft der brasilianische Staat Nahrungsmittel von bäuerlichen Familienbetrieben und verteilt sie an Bedürftige oder Schulen und andere Einrichtungen. Somit fördert er sowohl die ländliche, kleinbäuerliche Produktion als auch die Ernährungssicherheit der Bevölkerung.

Die gemeinschaftliche Organisation ist in Invernada, wo vorwiegend die kleinbäuerliche Familienlandwirtschaft verbreitet ist, schon immer stark. Mit am wichtigsten ist es der Gemeinschaft, samenfestes Saatgut zu vermehren und damit ihre Agrobiodiversität zu bewahren. Jedes Jahr wird ein Saatgut-Markt in der Kommune veranstaltet, der jährlich größer wird, und es gibt die Hüter*innen des Saatguts, die eine lange Tradition haben.

„Meine Eltern waren ihr ganzes Leben Bauern und kümmerten sich immer um ihr samenfestes Saatgut. Sie bauten Mais, Bohnen, Kartoffeln, Reis, Maniok, Weizen und Roggen für den Familienbedarf an.“

Maria Terezinha de Oliveira Skrzcezkiwski, eine 71-jährige Bäuerin, die diese Tradition aufrecht erhalten hat und eine der lokalen Hüterinnen des Saatguts ist.

Die Zusammenarbeit zwischen den Familien ist auch wichtig, um Märkte für die Nahrungsmittel zu schaffen und die Produktionskosten zu senken. So verfügt zum Bsp. die Vereinigung der ländlichen Erzeuger von Invernada (APRI), der heute 80 Familien angehören, über Maschinen, die alle nutzen können. Kleinere Vereinigungen sind wiederum in landwirtschaftliche Genossenschaften integriert, um Zugang zu den Lebensmittelmärkten zu bekommen.[1]

Initiative der Frauen und gegenseitige Unterstützung

In einer anderen Gemeinde im Bundesstaat Paraná, in Passo do Tio Paulo, beschloss Sandra Lopes vor fünf Jahren den Ausstieg aus dem Tabak, da das gesamte mit Tabak verdiente Geld in dessen Produktionskosten floss. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Mutter pflanzte sie stattdessen Arakacha [eine in Südamerika verbreitete Nutzpflanze, die der Sellerie ähnelt] an, die sie schon bald an Märkte in Palmeira und in benachbarten Städten liefern konnten. Zudem trat Frau Lopes der Genossenschaft für landwirtschaftliche Familienbetriebe von Palmeira (CAFPAL) bei und begann, das nationale Schulspeisungsprogramm zu beliefern. Da sowohl die Genossenschaft als auch die lokalen Märkte auch Bedarf an verschiedenen anderen Produkten hatten, erweiterte die Familie ihre Anbauprodukte und begann mit dem Anbau von Maniok, Kartoffeln, verschiedenen Gemüsesorten und Erdbeeren. Das Einkommen der Familie ist nun um etwa 20 % höher als mit dem Tabakanbau.

In ihrer Gemeinde initiierte Frau Lopes im letzten Jahr die Gründung des Kollektivs Passo Delas [Passo Delas = der Schritt der Frauen], einer Gruppe von Frauen, die sich gegenseitig bei der Suche nach Alternativen zum Tabakanbau unterstützen. Die Gruppe trifft sich auf dem Grundstück jeder Frau, um zu sehen, was sie optimieren kann und was sie lernen sollte.
Sehr oft sind es die Frauen, die die Initiative ergreifen und mit neuen Kulturen experimentieren. Das beginnt oft in Hinterhofgärten, wo sie Lebensmittel für ihre Familien anbauen. Und Frauen haben auch eine wichtige Rolle bei der Erhaltung des Saatguts in der Region gespielt.[ebd.]

Biodiversität und Lebensgrundlagen erhalten

Auf der anderen Seite des Atlantiks spielen Frauen in Simbabwe bei einem Projekt im Sambesi-Tal eine wichtige Rolle. Dort sind es vor allem Bäuerinnen, darunter auch viele Tabakbäuerinnen, die im Rahmen des Utariri-Programms neue Fertigkeiten erlernen und ihre Lebensgrundlage verbessern. Sie haben an Schulungen für die Pilzproduktion und den Anbau von Augenbohnen und Hirse teilgenommen und wurden mit Saatgutpaketen für kleine Getreidearten wie Hirse unterstützt.[2]
Die Diversifizierung des Anbaus ist auch hier ein zentraler Aspekt, um die Lebensgrundlage auf breitere Beine zu stellen und mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Die lokalen Gemeinden, einschließlich der Tourismus-Lodges, bilden den Markt für die Nahrungsmittel.

Farmer*innen, die früher Tabak anbauten, bewirtschaften nun nicht nur ihre Felder anders, sondern nutzen die ausgedienten Tabakscheunen für die Pilzzucht, die sie in den landwirtschaftlichen Kreislauf einbinden. Austernpilze gehören zu den klimaangepassten Pflanzensorten mit einem geringen ökologischen Fußabdruck. Sie wachsen auf Pflanzenresten von den Feldern und nach der Ernte können die Überreste für die Düngung der Felder genutzt werden. Der Anbau bringt zudem schnelle Erträge und kann das ganze Jahr über als gute Einkommensquelle für Farmer*innen dienen.[3]

Zur Diversifizierung des Lebensunterhalts sollen im Sambesi-Tal langfristig weitere klimaangepasste Pflanzensorten beitragen, darunter die oben genannten Augenbohnen und Hirse, sowie Quinoa, Chili, Sesam und Erdnüsse.[4]

So kann die Umwelt und die Biodiversität erhalten bzw. verbessert werden. Und die Zusammenarbeit von lokalen Gemeinschaften, Organisationen und Naturschutzgruppen trägt zu besseren Lebensbedinungen im Sambesi-Tal bei.

Eine der im Programm mitwirkenden Organisationen ist FACHIG (Farmers Association of Community self-Help Investment Groups), eine von den Mitgliedern getragene Basisorganisation. Bemerkenswerterweise sind 73 % der FACHIG-Mitglieder Frauen und die Organisation ist eine der wenigen von Frauen geführten Bauernorganisationen in Simbabwe. FACHIG befähigt lokale Gemeinschaften zu einer klimafreundlichen Landwirtschaft und nachhaltigen Existenzsicherung und vermittelt ihnen Fähigkeiten und Kenntnisse, um sich selbst effektiv zu organisieren, lokale Herausforderungen zu bewältigen und nachhaltige Lebensgrundlagen aufzubauen.[5]

„Der Name 'Passo Delas Kollektiv' bezieht sich auf unsere Gemeinde, aber er bedeutet auch, dass Frauen den ersten Schritt zur Diversifizierung des Anbaus machen.“ Sandra Lopes, Passo do Tio Paulo, Brasilien

Weltkarte des Wandels:

Alternativen zum Tabakanbau