Der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf beschloss am Ende seiner Sitzung am 9. November erneut, die Entscheidung über ein Ende der Kooperation mit der Tabakindustrie zu verschieben und im März 2018 weiter darüber zu debattieren.

Zehn Jahre nach Inkrafttreten der WHO-Konvention zur Tabakkontrolle (FCTC) ist das zögerliche Verhalten der ILO enttäuschend und nicht akzeptabel.

Unfairtobacco hatte im Vorfeld gemeinsam mit zahlreichen Organisationen aus aller Welt die ILO dazu aufgerufen, von der Tabakindustrie kein Geld mehr zu nehmen und die Kooperation endgültig zu beenden. Sogar die malawische Gewerkschaft der Tabakarbeiter*innen (TOAWUM) hatte sich gegen die weitere Zusammenarbeit der ILO mit der Tabakindustrie ausgesprochen.

Die Beschlussvorlage des ILO-Sekretariats sah zunächst sogar eine Weiterführung der Kooperation vor. Nach langen kontroversen Diskussionen zwischen den Vertreter*innen von Regierungen, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften wurde die Vorlage neu formuliert. Der Beschluss lautet nun:

The Governing Body called on the Director-General, taking into account all views expressed in the current session, to present to the 332nd Session of the Governing Body in March 2018 an integrated ILO strategy to address decent work deficits in the tobacco sector.

Worum geht es?

Seit 2006 erhielt die ILO mehr als 15 Millionen US-Dollar für Programme gegen die Kinderarbeit im Tabakanbau, von Japan Tobacco International und von der Tabakindustrie finanzierten Eliminating Child Labour in Tobacco Growing Foundation mit Sitz in Genf.

Diese CSR-Programme verbunden mit dem guten Ruf der ILO nutzt die Tabakindustrie vor allem für ihre Öffentlichkeitsarbeit und lenkt davon ab, dass die Industrie von der Kinderarbeit massiv profitiert. Niedrige Preise für Rohtabak und die Machtasymmetrien zwischen kleinbäuerlichen Betrieben und multinationalen Unternehmen befördern den Armutskreislauf, der schließlich in Kinderarbeit mündet.

Die Verbindung zur ILO dient der Tabakindustrie und ihren Frontgruppen dazu, sich als legitime Verhandlungspartei darzustellen und die Kontakte anschließend dazu zu nutzen, Gesundheitspolitik zur Tabakkontrolle zu unterwandern. Diese Taktik ist alt und kann durch interne Industrie-Dokumente belegt werden.

ILO vertagt Entscheidung – und nun?

Als Antwort auf die Tabakepidemie entstand die WHO-Konvention zur Tabakkontrolle. Diesem bindenden internationalen Vertrag traten inzwischen 180 Staaten und die EU bei. Ein wesentlicher Kernsatz, der Artikel 5.3, fordert den Schutz von Gesundheitspolitik vor den Interessen der Tabakindustrie. Auch Deutschland hat diese Verpflichtung.

Auf Ebene der Vereinten Nationen wurde eine Modellpolitik zum Umgang mit der Tabakindustrie entwickelt, die diesen Kernsatz umsetzt. Als eine UN-Organisation hat die ILO die Verpflichtung, diesen Empfehlungen nachzukommen. Die deutsche Regierung hat einen ständigen Sitz in der ILO und kann hier ihren Verpflichtungen aus der WHO FCTC nachkommen.

Gemeinsam mit unseren Kooperationspartner*innen aus aller Welt werden wir daran arbeiten, dass die ILO im kommenden März endgültig ihre Verbindungen zur Tabakindustrie kappt.

Zehn Jahre nach Inkrafttreten der WHO FCTC ist das zögerliche Verhalten der ILO enttäuschend und nicht akzeptabel.