Weltkindertag 2024: Im Rahmen der Initiative Kinder ohne Alkohol und Nikotin veröffentlichen 15 Gesundheits- und zivilgesellschaftliche Organisationen ein neues Factsheet. Darin zeigen wir, wie die Werbung für Tabak- und Nikotinprodukte* die Kinderrechte verletzt.

Kinder und Jugendliche begegnen in Deutschland täglich unzähligen Werbebotschaften, auf dem Schulweg, beim Einkauf oder beim Blick aufs Smartphone. Besonders auffällig ist das Marketing für gesundheitsschädliche Produkte wie Zigaretten, E-Zigaretten und Einweg-E-Zigaretten.

Auf Werbebildschirmen in Läden leuchten bunte Bilder im Wechsel und Nikotinprodukte werden direkt neben Süßigkeiten angeboten. Promotion-Aktionen oder Sponsoring bei Musikfestivals vertiefen die Botschaften der Imagewerbung. Sie sollen das Lebensgefühl von Jugendlichen ansprechen und ihnen einen Lifestyle verkaufen, der mit diesen Produkten verbunden wird. Dafür erforschen Unternehmen der Tabakindustrie u.a. das Freizeitverhalten von jungen Menschen und nutzen die Erkenntnisse für ihr Marketing.

Zahlreiche Studien belegen, dass diese Werbung wirkt. Kinder und Jugendliche werden durch sie neugierig auf Tabak- und Nikotinprodukte. Die Werbung macht Lust, die Produkte zu testen, und es wird wahrscheinlicher, dass Kinder und Jugendliche mit dem Rauchen anfangen.

Wieso verletzt Marketing für Tabak- und Nikotinprodukte Kinderrechte?

Die Tabak- und Nikotinindustrie wirbt für Produkte, die süchtig machen und der Gesundheit schaden. Deshalb gefährdet Marketing für Tabak- und Nikotinprodukte* das Kindeswohl und verletzt die Kinderrechte auf Leben, auf Information, auf Gesundheit und auf Schutz vor Suchtstoffen.

Diese Rechte sind in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt und Deutschland ist verpflichtet, sie durchzusetzen. Das UN-Kinderrechtskomitee drängt seit zwanzig Jahren darauf, dass Staaten das Marketing für Alkohol und Tabak regulieren, sogar verbieten, und verweist auch explizit auf das WHO-Tabakrahmenabkommen, das u.a. ein umfassendes Verbot von Marketing für Tabak- und Nikotinprodukte vorsieht.

Grafik zu: Artikel des WHO-Tabakrahmenabkommens und Kinderrechte, um die es in Bezug auf Tabak-/Nikotinmarketing geht

Aus der Gesamtheit der Kinderrechte ergibt sich: Kinder haben das Recht, vor der Tabakindustrie geschützt zu werden. Das heißt, Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf eine Umgebung frei von Marketing für Tabak- und Nikotinprodukte.

Leben und Gesundheit

Tabakkonsum führt zu zahlreichen schweren Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Lungenkrankheiten und Diabetes. Jedes Jahr bedeutet dies den Tod für mehr als 127.000 Menschen in Deutschland. Das Nikotin, das in Zigaretten, E-Zigaretten, Einweg-E-Zigaretten und ähnlichen Produkten enthalten ist, macht schnell abhängig und beeinträchtigt die Gehirnentwicklung bei Kindern und Jugendlichen.

Deshalb verletzt Marketing für Tabak- und Nikotinprodukte die Kinderrechte auf Leben und Gesundheit. Das Kinderrecht auf Leben soll das Überleben und die Entwicklung des Kindes sicherstellen. Und das Recht auf Gesundheit umfasst neben der Behandlung von Krankheiten auch die Gesundheitsprävention und das Recht eines jeden Kindes, die Kontrolle über die eigene Gesundheit und den eigenen Körper zu bekommen.

Information und Schutz vor Suchtstoffen

Angesichts dieser weitreichenden Folgen von Tabak- und Nikotinkonsum benötigen Kinder und Jugendliche vor allem Informationen über die Risiken von Zigaretten, E-Zigaretten, Einweg-E-Zigaretten und ähnlichen Produkten.

Diese Informationen werden aber all zu oft von der starken Imagewerbung für Tabak- und Nikotinprodukte verdrängt. Die Reklame enthält im Gegenteil Informationen, die das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen gefährden. Damit verletzt Tabak- und Nikotinmarketing das Kinderrecht auf Information, denn darin enthalten ist auch der Schutz vor Informationen, die für ihre Gesundheit und Entwicklung schädlich sind.

Die Marketing-Aktivitäten der Tabak- und Nikotinindustrie haben sich auch in den sozialen Medien stark ausgeweitet. Deshalb forderte der UN-Kinderrechtsausschuss im Jahr 2021 die Vertragsstaaten dazu auf, Werbung und Marketing für gesundheitsschädliche Produkte – u.a. für Tabak und andere Nikotinprodukte – im digitalen Umfeld zu unterbinden.

Und auch Deutschland wurde explizit ermahnt, „die Vermarktung von Tabakerzeugnissen an Kinder zu regulieren und weiterhin Maßnahmen zu verstärken, um Heranwachsende über die Vermeidung von Substanzmissbrauch, einschließlich Tabak und Alkohol, zu informieren“.

Also Deutschland – Schaff Tabakwerbung ab!

Das Handwerkszeug dafür liegt im WHO Tabakrahmenabkommen (WHO FCTC, Art. 13). Die Vertragsstaaten erkennen darin an, dass ein umfassendes Verbot von Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring den Konsum von Tabakprodukten verringern würde. Und sie verpflichten sich, ein solches Verbot gesetzlich zu erlassen, binnen fünf Jahren nach Ratifizierung. Für Deutschland verstrich die Frist im Jahr 2010.

Deutschland muss seiner Verantwortung für Kinder und Jugendliche in dieser Hinsicht besser nachkommen. Deutschland braucht endlich ein Gesetz, das Kinder und Jugendliche vor Marketing für Tabak- und Nikotinprodukte schützt.

Die zentralen Anforderungen an ein solches Gesetz hat die Initiative Kinder ohne Alkohol und Nikotin zusammengestellt.

Grafik zu Anforderungen an ein Gesetz zum Schutz von Tabak- und Nikotinmarketing

Lesen Sie hier das neue Factsheet Wie Marketing für Tabak- und Nikotinprodukte Kinderrechte verletzt.

Mitzeichnende Organisationen: Ärztlicher Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit e.V. (ÄARG), Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e.V. (ÄGGF), astra-plus Pflegeschulen, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), Deutsche Krebshilfe, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Deutsches Netz Rauchfreier Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen (DNRfK), Friedensband, Guttempler, IFT-Nord Institut für Therapie und Gesundheitsforschung, Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen MV, Nichtraucherschutzverband Deutschland, Unfairtobacco, VIVID – Fachstelle für Suchtprävention Graz.

Die Initiative „Kinder ohne Alkohol und Nikotin“ besteht aus Gesundheits- und zivilgesellschaftlichen Organisationen und setzt sich dafür ein, dass Kinder und Jugendliche in einer Umgebung aufwachsen, die es ihnen ermöglicht, ihre Persönlichkeit frei von Alkohol- und Nikotin-Marketing zu entfalten. Weitergehende Informationen zur Initiative: https://kinder-ohne-alkohol-und-nikotin.de/

*Wir definieren Nikotinprodukte in diesem Zusammenhang als nicht-pharmazeutische Konsumprodukte. Dazu gehören E-Zigaretten und verwandte Erzeugnisse.

„Das ist eigentlich voll cool, weil das so nach Spaß aussieht“ Schülerin über eine Zigarettenwerbung
Factsheet "Wie Marketing für Tabak- und Nikotinprodukte Kinderrechte verletzt" © Factsheet_Marketing_Kinderrechte_vorne von Unfairtobacco / CC BY-NC-ND 4.0